Ida Kapp (1884-1979)
Ida Kapp war die erste weibliche Redaktorin am Thesaurus. Sie studierte an der Universität Berlin und promovierte 1915 als erste weibliche Doktorandin bei Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf (1848-1931) mit einer Arbeit zur Hekale des Kallimachos. 1916 ging sie an den Thesaurus in München und arbeitete dort bis weit in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Ida Kapp wurde 1930 zur ersten weiblichen Redaktorin des Thesaurus ernannt, eine wirkliche Ausnahmeerscheinung, da die (deutsche) Altphilologie, ob an den Universitäten oder in den Forschungseinrichtungen, überwiegend männlich war. Zusammen mit dem Schweizer Gustav Meyer (1897-1966), der wie sie 1930 Redaktor wurde, war sie für den Band V,2, also für den Buchstaben E verantwortlich. Mit diesem Band erreichte der Thesaurus eine neue wissenschaftliche Qualität, und die sorgfältige und kooperative Betreuung der Mitarbeitenden und der hohe wissenschaftliche Anspruch ihrer Arbeit als verantwortliche Redaktorin wird in der Forschung immer wieder hervorgehoben.
Gustav Meyer musste bei Kriegsbeginn 1939 in die Schweiz zurück. Die Arbeit des Thesaurus in den Kriegsjahren war schwierig, und ab Oktober 1942 wurden die Bestände des Thesaurus in das Kloster Scheyern ausgelagert. In dieser Zeit sicherte Ida Kapp die Kontinuität der lexikographischen Arbeit und durch ihre regelmäßigen convivia in ihrer Münchner Wohnung auch den sozialen Zusammenhalt der Arbeitsstelle.
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war das Engagement von Manu Leumann (1889-1977), der inzwischen eine Professur in Zürich hatte, für die Rettung des Thesaurus sehr wichtig. Leumann favorisierte Heinz Haffter (1905-1998) als Generalredaktor, der bereits vor dem Krieg am Thesaurus gearbeitet hatte. Für Ida Kapp bedeutete dies auch einen methodischen Einschnitt. Angeblich sollen sich im Thesaurus der 50er Jahre die Anhänger ihrer semantisch-stilistischen Ausrichtung der lexikographischen Arbeit und die einer stärker linguistisch-syntaktischen Perspektivierungen in der Nachfolge von J. B. Hofmann fast unversöhnlich gegenübergestanden haben. In jedem Fall erhielt Ida Kapp zu ihrem 70. Geburtstag 1954 eine Festschrift, die Otto Hiltbrunner (1913-2017) und Hildegard Kornhardt (1910-1959) herausgaben (Thesaurismata. Festschrift für Ida Kapp. Zum 70. Geburtstag, München: Beck 1959). Heinz Haffter dagegen erwähnte sie in seinen Erinnerungen an wichtige Thesaurusmitarbeiter mit keinem Wort (Heinz Haffter, Et in Arcadia ego. Essays, Feuilletons, Gedenkworte, Baden im Aargau: Schweizer 1981; 160-176).
Wir haben Ida Kapp als Namensgeberin ausgewählt, weil wir an eine der wenigen Frauen in den frühen Phasen der Thesaurusarbeit erinnern wollen. Vielleicht ist es auch Zeit für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Zugängen zur Lexikonarbeit. Die von ihr verfassten Artikel, documentum, dominatio, dominus, domina, floreo, flos, forma oder gemma und die gemeinsam mit Gustav Meyer betreuten ecce, ecclesia, edo, eloquentia, excelsus und exemplum, sind ein guter Zugang dazu.